Wie muss es sich als
Jünger Jesu wohl angefühlt haben, wenn der eigene Meister und
vermeintliche Messias zu Grabe getragen wird und mit ihm auch alle
Hoffnungen beerdigt sind? Und wenn sich dann auch noch die Kunde
verbreitet, das Grab sei leer und er lebe?
Es ist nicht
verwunderlich, dass uns das Lukasevangelium diese Situation
ausführlich schildert. Als „Geschwätz“ wird die frohe Botschaft
des leeren Grabes bezeichnet und Unglaube ist das einzige, womit die
Jünger auf diese Situation reagieren (vgl. Lk 24,11). Eine Reaktion
auf das Evangelium, die wir auch 2000 Jahre später nur allzu gut aus
unserem eigenen Umfeld kennen.
Darin liegt wohl das
größte Mysterium: Was bewirkt eigentlich den Glauben? Alle
Evangelisten der Heiligen Schrift sind sich einig: Die Begegnung mit
dem auferstandenen Christus ist der Ausgangspunkt allen Glaubens. Das
mag zwar stimmen, ist für unseren Alltag aber weniger praktikabel.
Die Emmauserzählung nimmt diese Erfahrung ernst. Es ist eine
spannende Geschichte von zwei Jüngern, die auf dem Weg mit Jesus
sind und unterwegs vom Unglauben zum Glauben, von Unkenntnis zur
Erkenntnis und von tiefer Enttäuschung zu neuer Hoffnung gelangen.
1. Erklärungen zum Text
Die Emmauserzählung ist die zweite von drei Auferstehungserzählungen des Lukasevangeliums. Die erste handelt von den Frauen am Grab, denen ein Engel erscheint. Der dritte und letzte Auferstehungsbericht, mit dem das Evangelium schließt, ist die Erscheinung Jesu vor den Jüngern. Während wir diese beiden Berichte in ähnlicher Form auch bei den anderen Evangelisten finden können, handelt es sich bei der Emmausbegebenheit um lukanisches Sondergut. Die gesamte Erzählung ist vollgespickt mit theologischen Inhalten. Man spricht auch von „narrativer Theologie“, tiefgründige Theologie verpackt in eine Erzählung, dabei werden einige Fragen aufgeworfen:
Warum erkennen die Jünger Jesus nicht? (V. 16)
Die Antwort auf
diese Frage ist nicht ganz einfach – natürlich ist es gut
vorstellbar, dass sie Jesus für tot hielten und darum gar nicht mit
ihm gerechnet haben. In der Lutherübersetzung wird aber doch recht
wörtlich übersetzt, den Jüngern würden die „Augen gehalten“.
Das ist eine passive Formulierung, die üblicherweise als göttliches
Passiv (passivum divinum) Gott als handelnde Person vorsieht. Ob
dadurch ausgesagt werden soll, dass Gottes Gnade über Glauben und
Unglauben entscheidet oder aber schlicht erzählerisch ausgedrückt
werden soll, dass die beiden Jünger nicht erkannt haben, bleibt
offen.
Warum verschwindet Jesus einfach? (V. 31)
Gerade dann, wenn es
interessant wird und die Jünger Jesus erkennen, verschwindet er.
Warum das so ist, müssen wir der Erzählung nach erstmal unbegründet
so hinnehmen. Theologisch könnte aber so einiges dahinterstecken:
Obwohl Jesus der Gast ist, teilt er das Brot aus und dankt dafür,
was eigentlich dem Gastgeber vorbehalten ist. Die Szenerie erinnert
stark an das Abendmahl. Wenn Jesus das Brot austeilt und
verschwindet, meint das vielleicht, dass er sich im Brot selbst
hingibt, also etwas im Abendmahl sehr wohl realpräsent ist, obwohl
er nicht sichtbar ist.
Was hat es mit Simon auf sich? (V. 34)
Wie aus heiterem
Himmel ist in Vers 34 plötzlich von Simon die Rede, der sonst
überhaupt nicht in Erscheinung getreten ist. Gemeint ist damit Simon
Petrus, der bereits am Anfang des Kapitels auftritt, dem aber Jesus
wohlgemerkt nicht erscheint – er sieht lediglich das leere Grab!
Der Evangelist Lukas
greift hierbei auf die älteste christliche Auferstehungsformel (vgl.
1Kor 15,3-8) zurück, der nach Petrus als erstes den auferstandenen
Christus gesehen haben soll. Um dieser Tradition nicht zu
widersprechen und weil Lukas selbst wahrscheinlich auch keinen
Bericht davon vorliegen hatte, streut er diese Information ganz
beiläufig ein.
2. Bedeutung für heute
Die Erzählung der Emmausjünger zeigt eindrucksvoll, was es bedeuten kann, mit Jesus auf dem Weg zu sein. Jüngersein bedeutet eben nicht immer nur, Feuer und Flamme für das Reich Gottes zu sein, sondern dazu gehören auch Zweifel, Enttäuschungen und Verblendungen, die wir auch in der Erzählung wiederfinden können. Wie bereits erwähnt, trieft der Text nur so von theologischen Inhalten, die sich vielleicht wie folgt ordnen lassen:
Christusverständnis (Christologie)
Die Enttäuschung der Jünger hängt eng damit zusammen damit, welches falsche Bild sie von Jesus hatten: Sie dachten, er sei ein allein auf Israel beschränkter, weltlicher Befreier von den Römern. Das ist auch das, was sie unter „Messias“ bzw. „Christus“ verstanden. Weil Jesus aber so früh starb, konnte er „nur“ ein Prophet gewesen sein. Jesus lehnt im Gespräch den griechischen Titel Christus nicht ab, füllt ihn aber ganz neu mit Leben, wonach sein Leiden und Sterben nicht sein Ende darstellen, sondern die Voraussetzung zur Verherrlichung. Jesus bezeichnet sich hier wohlgemerkt selbst als den Christus.
Schriftauslegung (Hermeneutik)
Für die meisten
Christen mag das wohl selbstverständlich sein: Das Neue Testament
löst das Alte Testament nicht ab, sondern führt es fort. Sonst
könnten wir auch einfach nur das Neue Testament als
Glaubensgrundlage nehmen – diese Idee gab es nur zu oft in der
Kirchengeschichte. Wenn Jesus in den Versen 25-27 den Jüngern aber
im Alten Testament von sich selbst erzählt, ist klar, dass wir
Christus und dessen Ankündigung bereits im Alten Testament finden
können.
Das Alte Testament
ohne das Neue ist unvollständig, das Neue ohne das Alte Testament
unverständlich, weil wir sonst nicht verstehen, wer Jesus wirklich
war.
Grund des Glaubens
Interessant an der
ganzen Erzählung ist ja vor allem, wie die Jünger zu „neuem“
Glauben finden. Was den Glauben bewirkt, darüber kann viel
gestritten werden. Theologisch korrekt ist, dass Gott ihn schenkt und
es kein menschliches Werk ist. Das ist aber für die Praxis oftmals
ernüchternd, wenn man so viel in Veranstaltungen investiert, die zum
Glauben einladen sollen. Auch die Erzählung bleibt sehr schwammig,
warum die Jünger im wahrsten Sinne des Wortes „umkehren“. Sie
nennt aber einige Umstände, die irgendwie damit zusammenhängen:
Begegnung und Gemeinschaft mit Jesus, die Heilige Schrift und wenn
man so will auch das Abendmahl im weitesten Sinne.
3. Methodik für die Gruppe
Einstieg
Das Thema
Auferstehung kann sehr herausfordernd sein. Vor allem bietet es als
zentrales Glaubensereignis viel Angriffsfläche für Anfragen und
Zweifel. Diese dürfen nicht unterdrückt werden, sondern müssen
auch formuliert werden dürfen. Vorneweg könnten zweierlei Fragen in
Anlehnung an die vorausgehende Erzählung thematisiert werden:
- Das Grab ist leer. Wie würde
ich darauf reagieren? (vgl. Lk 24,5.12)
- Die Frauen berichten, Jesus sei
auferstanden. Kann ich das glauben? (vgl. Lk 24,11)
Mit diesen beiden
Fragen ließe sich unter Umständen auch schon eine ganze
Gruppenstunde füllen – hier soll es nur thematisch triggern. Die
Emotionen aus dem Einstieg können mit in die Emmauserzählung
genommen werden und spiegeln womöglich in etwa wider, wie sich die
Jünger gefühlt haben.
Fragen zum Bibeltext
- Ist für euch alles
verständlich? Versucht Unklarheiten zu klären!
- Versetzt euch in die Situation
der beiden Jünger. Könnt ihr nachvollziehen, wie es ihnen geht?
- Die Jünger erklären dem
Unbekannten, wer Jesus gewesen sein soll. Würdet ihr dieser
Ausführung zustimmen? Was stört Jesus wohl daran?
- Jesus erklärt den Jüngern von
der Schrift her, also vom Alten Testament, wie die Ereignisse zu
beurteilen sind. Worauf wird er wohl Bezug nehmen? Welche Stellen im
Alten Testament kommen euch in den Sinn?
- Die Jünger kommen am Schluss
zum Glauben und verstehen, dass Jesus bei ihnen war. Was hat diesen
Glauben der Erzählung nach wohl bewirkt? Kann man das so einfach
sagen?
Zur weiteren
persönlichen Vertiefung können auch die Fragen von den Stationen
genutzt werden.
Stationen
Der Weg der Jünger
mit Jesus bietet sich hervorragend an, um eine Vertiefung in Form von
Stationen anzubieten, in der sich nochmal jeder selbst Gedanken über
seinen eigenen Weg mit Jesus machen kann. Hier findet ihr vier
mögliche Stationen, die sicherlich auch ergänzt und verändert
werden können:
Ausgangslage: Enttäuschung
Die schmerzliche Erfahrung, im Glauben enttäuscht zu werden, dürfte vielen vertraut sein: Man betet und nichts passiert, man hofft und es trifft nicht ein, man macht alles richtig und wird doch nicht verschont. Enttäuschungen gehören zum Glauben dazu.
Die Ausgangslage der
Emmausjünger ist ebenfalls von Enttäuschung geprägt. Zwar wissen
wir nicht allzu viel von den beiden Jüngern, aber sie waren im
weitesten Sinne Teil des Jüngerkreises. Sie haben also vieles mit
Jesus erlebt: Gemeinschaft, Predigten, Wunder. Und als Jesus nun am
Kreuz stirbt, bricht für sie eine Welt zusammen. Ihr Bild von Jesus
deckt sich in dieser Situation nicht mit der Wirklichkeit. Im Dialog
zwischen Jesus und den beiden zeigt sich das ganz gut: Sie sahen in
Jesus einen irdischen Messias, der Israel befreien würde. Sie
dachten, er sei „nur“ ein Prophet Gottes. Doch dieses Bild wurde
schmerzhaft enttäuscht und musste korrigiert werden.
- Wer ist Jesus Christus für mich?
- Welches Bild habe ich von ihm?
- Wo wurde/ werde ich enttäuscht?
- Benötigt mein Bild eine Korrektur?
Ausgangslage: Zweifel
Wie kann man an
etwas glauben, was man nicht sieht? Warum machen immer andere die
krassen Glaubenserfahrungen und nicht ich? Es gibt genug, woran man
im Glauben zweifeln könnte, dabei gehören Zweifel unweigerlich zum
Glauben dazu.
Auch die Jünger in
unserem Erzählabschnitt zweifeln. Sie haben den Bericht der Frauen
am leeren Grab, dass ihnen ein Engel erschienen und Jesus
auferstanden sei. Sie halten das aber für „Geschwätz“ und
wollen den Frauen nicht glauben (V. 11). Sie wollen es selbst sehen
und erleben, ehe sie glauben können.
- Woran zweifle ich?
- Womit tue ich mich im Glauben
schwer?
Unterwegs mit Jesus
Die Jünger hatten
allen Grund, die Sache mit Jesus einfach fallen zu lassen. Aber Jesus
nähert sich den Jüngern und geht den Weg mit ihnen gemeinsam. Er
ist bei ihnen, obwohl sie davon selbst nichts wissen und ihn auch
nicht dazu aufgefordert haben. „Bleibe bei uns“ – die Jünger
laden den unbekannten Jesus zu sich nach Hause ein, wo sie erst
erkennen, wer er eigentlich ist.
- Wo befinde ich mich gerade auf
dem Weg mit Jesus?
- Bin ich noch unterwegs oder
habe ich ihn zu mir eingeladen?
- Ist er für mich fremd oder ein
bekannter Wegbegleiter?
Glauben und bekennen
Bis die Jünger
wieder zu neuer Hoffnung und zum Glauben finden, muss vieles
passieren. Jesus begegnet ihnen, erklärt ihnen die Heilige Schrift
und er hat Gemeinschaft mit ihnen beim Abendessen. Erst dann erkennen
sie Jesus. Schließlich können sie bekennen: „Der Herr ist
wahrhaftig auferstanden!“.
- Wie kam ich zum Glauben?
- Welche Rolle spielte die Bibel
dabei?
- Welche Rolle spielten die
Gemeinschaft und Begegnung mit Jesus und anderen Christen?
- Wie sähe mein Bekenntnis heute
aus?
- Autor / Autorin: Chris Nathan
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