Bibelstelle: Matthäus 11,2
Lies Matthäus 11,2
Kaum zu glauben! Ausgerechnet Johannes der Täufer! Ausgerechnet der hat Zweifel. Kaum zu glauben, dass dieser Typ mit dem sicheren Auftreten so verunsichert ist.
Vor Kurzem noch war er am Jordan. Jetzt sitzt er im Knast, schmachtet im Hochsicherheitstrakt des Königs Herodes, in der Feste Machärus, 1120 Meter über dem Toten Meer. Statt Heuschrecken und wildem Honig gibt’s jetzt Wasser und Brot.
Nicht lange ist das her, dass er Jesus getauft hatte. Er wusste: Das ist er! „Siehe, das ist Gottes Lamm, das die Sünde der Welt trägt!“, so seine Aussage. Jetzt hat er nur noch Fragen. Was er da hört von Jesus, das passt nicht in seine Vorstellung. Er hatte behauptet, der Messias würde ordentlich ausfegen. Dieser Jesus tut nichts dergleichen. Der kehrt nicht aus, der kehrt ein. Bei allen möglichen Menschen. Er hatte behauptet, der Messias würde die Axt an die Wurzel der faulen Bäume legen. Dieser Jesus dagegen geht auf den Abschaum zu und bietet allen seine Gemeinschaft an. Merkwürdig, was dieser Jesus tut. Für Johannes ist das kaum zu glauben, was er da hört. Und ihm kommen Zweifel.
Kaum zu glauben. Dazu muss man allerdings nicht im Knast über dem Toten Meer sitzen, um an diesem Punkt angelangt zu sein.
Da kann man auch im Konfiunterricht/Teenkreis/Bibelstunde/Gebetskreis oder Gottesdienst sitzen und sich anhören, was Referent, Pfarrer und Mitarbeiter erzählen – und die eigenen Lebensumstände bringen einen eher dazu ins Zweifeln zu kommen, als fest zu glauben.
Kaum zu glauben, dass es einen Gott gibt. Wenn’s den wirklich gäbe, würde er das doch nicht alles zulassen. Gibt’s denn wirklich einen Gott? Kaum zu glauben. Oder nein, mehr noch: nicht zu glauben. Und viele wenden sich ab und glauben’s eben nicht mehr.
Gehen wir wieder zurück zu Johannes.
Der gibt sich nicht mit offenen Fragen ab. Sondern er will Antworten. Der wendet sich nicht von Gott ab. Sondern er wendet sich Jesus zu. Der philosophiert nicht herum. „Also, wenn der wirklich der Messias wäre, dann …“
Der diskutiert nicht mit seinen Knastbrüdern und seinen Jüngern, um auch deren Meinung zu hören und sich dann ein Bild zu machen, das einigermaßen mehrheitsfähig ist. Nein, er fragt Jesus höchstpersönlich. Und weil er selber nicht kann, schickt er einige seiner Jünger, mit denen er wohl Kontakt hat. Geht hin und fragt ihn: „Bist du, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten?“
Kaum zu glauben: Johannes zweifelt kein bisschen an Gott!
Dass Gott seinen Plan umsetzt, steht für ihn außer Frage. Wenn Jesus nicht der Messias ist, dann muss er eben auf einen andern warten. Und dazu ist er bereit. Sein Zweifel bezieht sich konkret auf die Person Jesus von Nazareth. Der entspricht so wenig seinem Bild vom Messias. Der ist so schwach. Der starke Johannes wird irre an diesem schwachen Jesus.
„Bist du’s wirklich?“ Wie wär’s, wenn wir mit unseren Fragen und Zweifeln, wenn wir denn welche haben, wie wär’s, wenn wir damit zu Jesus selbst gingen? Jesus, bist du wirklich der Retter der Welt? Der Retter für mein verkorkstes Leben? Bist du wirklich der Heiland, der auch mir Sinn und Erfüllung geben kann? Bist du’s, oder muss ich woanders suchen? Bist du wirklich der starke Herr, dem alle Macht gegeben ist, auch wenn wir so viel Ohnmacht und Machtlosigkeit erleben? Bist du wirklich der, der jedes Haar auf meinem Kopf gezählt hat, der jeden Spatz auf dieser Erde kennt, auch wenn überall namenloses Leid und Unrecht geschieht.
Zweifeln ist nichts Schlechtes. Zweifeln und Fragen zeigt auch, dass mir die Beziehung zum anderen wichtig bzw. dass sie lebendig ist. Wenn ich keine Zweifel hätte, nichts zum Zweifeln habe, dann wäre es mir egal. Zweifel und Unsicherheit gehört dazu und ist auch nicht verboten. Herausfordernd ist, wie ich damit umgehe.
Die Johannesjünger gehen hin zu Jesus und stellen ihm die Frage. Und – kaum zu glauben: Jesus reagiert nicht entsetzt oder sauer! Nicht: „Wie kann ausgerechnet Johannes diese Frage stellen! Er hat mich doch getauft. Er hat doch miterlebt, wie mein himmlischer Vater sich damals zu mir bekannt hat.“ Nicht: „Geht hin und staucht diesen Johannes zusammen wegen seines Kleinglaubens.“ Jesus weist die nicht ab, die mit solchen Fragen zu ihm kommen. Er erklärt nicht: „Ihr seid doch getauft und habt genug gelernt, um das zu wissen.“ Er putzt niemanden herunter, sondern er baut auf.
„Geht hin und sagt Johannes wieder, was ihr hört und seht: Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt.“
Jetzt wird es schwierig.
Zum einen denke ich mir, es wird schwierig für Johannes. Man stelle sich diese Antwort vor in seiner Situation. Kaum zu glauben, was Jesus ihm da ausrichten lässt: Blinde sehen – er sitzt in einem dunklen Loch. Lahme gehen – er kann drei Schritte machen, dann ist er an der gegenüberliegenden Zellenwand. Aussätzige werden rein – er wird wie ein Stück Dreck behandelt. Taube hören – ihm will man mindestens die Ohren abreißen. Tote stehen auf – wie lange wird er wohl noch am Leben sein? Armen wird die gute Nachricht gepredigt – und ihm steht die Nachricht bevor, dass er eine Verabredung mit dem Henker hat. Das könnte ihm ja alles durch den Kopf gehen. „Große Worte, Jesus, aber das hilft mir nichts. Tolle Dinge, aber sie ändern nichts an meiner Lage. Jesus, wenn du der Herr der Welt bist, dann hol mich hier raus.“ Ich fände das nur zu verständlich, wenn er so ähnlich reagieren würde. Wir wissen ja nicht, wie er reagiert hat, aber vorstellen könnte ich mir das.
Zum Zweiten wird’s schwierig für uns. Das geschah vielleicht damals. Aber heute!? Wo geschehen denn diese großen Dinge in unseren ECs? Wo sind sie denn in unserer Kirche, diese Wunder, die die Macht Gottes zeigen? Aber wenn das alles nur damals geschehen ist, wenn das olle Kamellen sind, die uns da berichtet werden, was sollen wir heute dann mit dieser Antwort Jesu anfangen? Ist das nicht gerade unser Problem: Dass so was nicht geschieht? Kann also diese Antwort Schluss machen mit unseren Zweifeln, kann sie wirklich Antwort sein auf die Fragen, die uns umtreiben? Vergrößert sie nicht die Zweifel, wirft sie nicht neue Fragen auf?
Johannes der Täufer dürfte in dieser Antwort – trotz seiner Situation, in der das alles wie Hohn klingen konnte – ein klares „Ja“ auf seine Frage gehört haben. Er kannte seine Bibel. Und er wusste, dass all das, was da beschrieben wurde, in den alten Verheißungen stand. Das würde geschehen, wenn der Messias käme. Das war – Punkt für Punkt – genau so vorhergesagt. Und die Jünger, die Johannes die Antwort überbringen, können bestätigen, dass das wirklich alles geschieht. Sie hören und sehen es. Erstklassige Augenzeugen, die vor jedem Gericht der Welt standhalten würden. Jesus sagt: „Ja, ich bin, der da kommen soll. Und wenn ich anders bin, als du es erwartet hast, Johannes, dann lass dich dadurch nicht verunsichern.“
Und wir heute?
Die Dinge, die Jesus beschreibt, geschehen heute noch. Auch heute gibt es Wunder, auch Heilungswunder, die im Namen Jesu geschehen. (auch Wunder der Medizin, die Gott ja auch schenkt) Auch heute wird das Evangelium gepredigt im Namen dieses Jesu von Nazareth.
Und zum anderen geht es uns heute kein bisschen schlechter als dem Täufer damals. Er war in seiner Zelle auf Augen- und Ohrenzeugen angewiesen. Wir sitzen vielleicht im Gefängnis unseres Zweifels, möglicherweise auch im Knast unserer Vernunft. Aber wir haben ebenfalls Augen- und Ohrenzeugen. Der Apostel Johannes beispielsweise unterstreicht ausdrücklich, dass das, was er berichtet, das ist, was er gesehen und gehört und beobachtet und mit seinen Händen betastet hat. Im Neuen Testament haben wir die Zeugenaussagen schwarz auf weiß. Lest sie doch nach!
Kaum zu glauben vielleicht; aber wahr: Wende dich doch an Jesus! Frage ihn! Suche in der Bibel nach der Antwort auf deine Fragen. Nimm dir die Zeit, im Teen- oder Jugendkreis nicht nur zu reden und MCD besuchen, sondern zum Bibellesen.
„Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören, Tote stehen auf, Armen wird das Evangelium gepredigt und selig ist, wer sich nicht ärgert an mir“ – so Jesus. Es ist leicht, sich an ihm zu ärgern, ins Fragen und Zweifeln zu kommen.
Jesus selbst schenkt den Glauben, der einen erkennen und bekennen lässt:
„Jesus? Doch, der hat mit mir etwas zu tun!“
„Jesus? Doch, die Lautsprecher auf den Weihnachtsmärkten haben recht: Christ, der Retter ist da – auch in unserer hektischen Zeit!“
„Jesus? Doch, der kann meinem Leben Sinn und Halt geben, auch wenn auf unserer Welt so viel Schlimmes geschieht.“
„Jesus? Das ist der, zu dem ich ehrlich mit meinen Fragen und Zweifeln kommen darf.“
„Er ist’s, der da kommt, und ich muss auf keinen andern warten.“
- Autor / Autorin: Andy Müller
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