Die ForuM-Studie, die von der Evangelischen Kirche Deutschland Ende Januar 2024 veröffentlicht wurde, brachte genau das ans Licht, was bereits von vielen geahnt, gewusst, persönlich leidvoll erfahren und doch auch gezielt von der Institution vertuscht wurde:
Ein Werkzeug, dass dabei als ein erster Schritt auf dem Weg zu ebendiesem SafeSpace gesehen werden kann, ist die Entwicklung und Ausarbeitung eines Schutzkonzeptes. In den Gliedkirchen der EKD wird es von den Landessynoden eingefordert. So muss sich jeder Kirchenkreis mit seinen Einrichtungen und jede Kirchengemeinde mit den je individuellen Risiken und bereits vorhandenen Ressourcen auseinandersetzen, um zu schauen, wo Handlungsbedarf besteht und welches Potential bereits vorhanden ist und sich vielleicht ausbauen lässt. Nur wenn ich mir Gedanken dazu mache, welche Rahmenbedingungen bei uns die Gefahr von Übergriffen und Gewalt erhöhen, kann ich versuchen, rechtzeitig gegenzusteuern. Dabei reichen die Herausforderungen von Raum-Fragen (z. B. »Wer hat einen Schlüssel?«, »Wo gibt es dunkle Ecken?«) über Struktur-Fragen (z. B. »Wer trifft bei uns die Entscheidungen?«, »Welche Möglichkeiten habe ich, Kritik zu äußern?«) bis hin zu Mitarbeiter-Fragen (z. B. »Wer kann bei uns mitarbeiten?«, »Welche Voraussetzungen muss ein Mitarbeiter erfüllen?«). Dass es nicht ausreicht, einfach dem Gedanken »Bei UNS passiert doch so etwas nicht« zu folgen, haben die Erfahrungen der Betroffenen aus der ForuM-Studie sehr bitter und deutlich gezeigt.
Welche Schritte ihr bei euch gehen könnt, um ein eigenes Schutzkonzept zu entwickeln, findest du im Stundenentwurf/Artikel »How to … wie ein Schutzkonzept entsteht«.
Aber kommen wir nochmal zu den Ergebnissen, die uns die ForuM-Studie genau geliefert hat – wobei wir bei einer gezielten Betrachtung schon an dem Wort »genau« scheitern, denn genaue Zahlen liefert die Studie leider nicht. Obwohl die Verantwortlichen bereits Ende 2020 die Arbeit aufgenommen haben, reichten die drei Jahre Forschung nicht aus, um sichere Ergebnisse vorweisen zu können. So geht man aktuell von rund 1.259 Beschuldigten und 2.225 Betroffenen aus, die in dem Zeitraum vom 01. Januar 1946 bis einschließlich 31. Dezember 2020 ermittelt werden konnten. Allerdings wurde bei der Vorstellung der Studie deutlich, dass es sich hierbei lediglich um die Fälle handelt, bei denen die Betroffenen der sexualisierten Gewalt zum Tatzeitpunkt noch minderjährig waren – zum Tatzeitpunkt bereits Erwachsene wurden nicht als Betroffene erfasst. Zum anderen sind im Rahmen der Studie nicht von allen Landeskirchen die im Vorfeld vereinbarten Personalakten zur Untersuchung rechtzeitig zur Verfügung gestellt worden, sondern zum Teil nur die Akten, bei denen es aufgrund von Disziplinarakten einen Anfangsverdacht auf sexualisierte Gewalt gegeben hat. Wie hoch also die Gesamtzahl der betroffenen Personen ist, welche Anzahl von Fällen sexualisierter Gewalt noch im Dunkeln liegen, kann leider nur geschätzt werden. Dieses Dunkelfeld noch weiter zu erforschen, ist ein zukünftiges Projekt.
Doch es soll ja nicht alleine um die Aufarbeitung der Fälle gehen, die es in der Evangelischen Kirche bereist gegeben hat – sondern auch um die Frage, wie sich »Kirche« aufstellen muss, um das Risiko für sexualisierte Gewalt zu minimieren. Dabei ist es, neben der Erstellung eines Schutzkonzeptes unumgänglich, eine Haltung zu diesem Themenfeld zu entwickeln:
Diese Punkte sind zu lange alltägliches Verhalten gewesen, weil ja nicht sein kann, was nicht sein darf. Der tolle Jugend-Mitarbeiter, der ehrwürdige Pfarrer, … die doch nicht!
Es gibt verschiedene Täterinnen- bzw. Täter-Gruppen, gegen die Beschuldigungen vorgebracht wurden – aber die größte Zahl richtete sich gegen männliche Pastoren. Die hatten (und haben?) kaum ein externes Gegenüber, das auf ihr Tun und Lassen schaut und zugleich alleine durch ihr Amt eine gewisse Macht-Position, die sich nur zu leicht ausnutzen lässt. Jeder Gruppenleiter, jede Diakonin und auch die Küster und Gemeindesekretärinnen können Wege finden, wenn sie zu Täterinnen bzw. Tätern werden wollen. Das muss, so gut es eben geht, verhindert werden – auch wenn es einen hundertprozentigen Schutz wohl nie geben kann.
Es gilt also, hinzuhören, hinzuschauen und zu handeln – sich der Verantwortung zu stellen, die wir für die Menschen übernehmen, die zu uns kommen – egal ob als Teilnehmende unserer Arbeit oder als Mitarbeitende. Es gilt, nicht nur ein Schutzkonzept zu erstellen, sondern vor allem, dieses Konzept im Alltag der Gemeinde, der Gruppe oder des Vereins auch zu leben. Wer sich noch tiefer in die Ergebnisse der ForuM-Studie einlesen möchte, findet alle Informationen zu dem Thema unter www.forum-studie.de.
Alle Organisationen, Gemeinden und Vereine, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, sind seit einigen Jahren bereits gesetzlich dazu verpflichtet, ein eigenes Schutz- & Präventionskonzept zu entwickeln. Solch ein Schutz- und Präventionskonzept will einen sicheren Rahmen schaffen und unsere Gemeinden und Vereine zu sicheren Orten machen, an denen Minderjährige, also schutzbefohlene Menschen, in unseren Gebäuden und bei unseren Angeboten auch geschützt werden – vor sexualisierter und auch vor jeder anderen Form der Gewalt. Selbstverständlich lässt sich ein solches Konzept auch auf alle Menschen der Gemeinde/des Vereins, unabhängig ihres Alters problemlos ausweiten. Schutzkonzepte dienen aber nicht nur dazu, sichere Rahmenbedingungen festzuhalten, sie machen diese auch transparent und nachzulesen für alle. Gleichzeitig geben sie Mitarbeitenden klare Verhaltensregeln an die Hand und somit (Handlungs-)Sicherheit in Situationen, in denen es zu Grenzverletzungen oder Gewalt kommt.
Von Grenzverletzungen sprechen wir, wenn die persönlichen Grenzen oder Gefühle eines Menschen verletzt oder überschritten werden.
Alle Menschen haben ihre eigenen individuellen Grenzen (z.B. wie viel Nähe möchte ich zulassen?). Deswegen kann auch das Empfinden, wann eine Grenzverletzung stattgefunden hat, Gefühle oder das Schamempfinden eines Menschen verletzt worden sind, sehr unterschiedlich sein. Grenzverletzungen passieren oft ungewollt und unbewusst. Wichtig ist, sie (gemeinsam) zu reflektieren und aufzuarbeiten und dabei natürlich immer die Gefühle und Eindrücke der betroffenen Person ernst zunehmen.
Gewalt durch Sprache, durch Worte, Beleidigungen, Drohungen usw.
Von körperlicher Gewalt (auch als physische Gewalt bezeichnet) sprechen wir, wenn ein Mensch absichtlich körperlich angegangen wird. Solche Körperverletzungen können herbeigeführt werden u.a. durch Tritte, Schläge, den Einsatz von Waffen oder Gegenständen, um Menschen Schmerzen zuzufügen. Auch körperliche Vernachlässigung zählt zu dieser Art der Gewalt. Und auch psychische Gewalt kann physische Folgen nach sich ziehen.
Sie wird auch seelische oder emotionale Gewalt genannt. Diese Art von Gewalt wirkt sich vor allem auf das psychische Wohlbefinden eines Menschen aus. Emotionale Gewalt geschieht z.B. durch:
Unter den Begriff der sexualisierten Gewalt fällt jede Form von Gewalt, bei der die Sexualität im Mittelpunkt steht. Sexualisierte Gewalt beginnt z.B. bei sexueller Belästigung mit Worten und weitet sich aus bis hin zu handgreiflichen Übergriffen, nicht einvernehmlichen sexuellen Handlungen und Vergewaltigung.
Ein eigenes Schutzkonzept zu entwickeln, ist wichtig und auch machbar. Damit das gut läuft und das Konzept wirklich tragfähig wird, sind aber ein paar Dinge zu beachten:
Das fertige Schutzkonzept sollte von der gesamten Gemeinde/dem Verein mitgetragen, gelebt werden. Alle sollten es kennen und auf seine Einhaltung achten. Das gelingt am besten, wenn schon während der Erstellung des Konzept möglichst viele Menschen mit einbezogen werden. So entsteht ein gemeinsames Verständnis und eine gemeinsame Haltung.
Wenn ihr also noch ein Schutzkonzept schreiben wollt oder eures überarbeiten möchtet, dann ladet doch möglichst viele Menschen, Mitarbeitende, Eltern, Teilnehmende dazu ein, mit euch zu denken und zu schreiben. Ihr könnt auch für jeden Schritt, jeden Teil eures Konzepts wieder neue oder weitere Menschen dazu bitten, die eure Arbeit unterstützen.
Außerdem sollte das Schutzkonzept folgende Punkte umfassen:
Während der Risikoanalyse schaut ihr euch eure Gemeinde oder euren Verein genau an. Ihr betrachtet dabei eure Räumlichkeiten und eure Strukturen. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen dabei vor allem zwei Fragen:
Um diese Fragen beantworten zu können, sind die Ansichten und Einschätzungen der Kinder und Jugendlichen, eurer Teilnehmenden unverzichtbar. Um sie zu Wort kommen zu lassen, kann eine Umfrage gut dienen, die ihr online oder als Fragebogen in ausgedruckter Form verteilen könnt. Auf diese Weise könnt ihr alle Menschen, die zu euren Angeboten und in eure Räumlichkeiten kommen, berücksichtigen und fragen, wie sie sich bei euch fühlen.
Wie sicher fühlen sie sich in euren Räumen? Gibt es dort evtl. schlecht einsehbare Ecken, in denen Menschen sich unwohl fühlen könnten?
Wie sicher fühlen sich die Kinder und Jugendlichen während eurer Angebote? Haben sie Vertrauen zu den Mitarbeitenden? Wissen sie, wen sie ansprechen können, wenn sie sich in einer Situation unwohl fühlen?
Diese Analyse bleibt nicht beim Risiko stehen. Das Risiko zu erkennen ist der erste Schritt, aber schaut außerdem auch auf eure Potentiale. Was unternehmt ihr bereits, um Menschen zu schützen? Welche sinnvollen Regeln, Verhaltensweisen und Werte gelten schon bei euch? Welche positiven und schützenden Strukturen sind bei euch installiert, so dass Machtmissbrauch erschwert wird?
In der Selbstverpflichtungserklärung legt ihr eure Werte und Grundsätze für eure Arbeit fest. Diese Erklärung verfasst ihr gemeinsam und unterschreibt sie anschließend am besten als ein Zeichen ihrer Wichtigkeit und Gültigkeit. Ihr verpflichtet euch mit ihr selbst z. B. dazu, respektvoll miteinander umzugehen, zu Offenheit, Toleranz, Wertschätzung oder Friedfertigkeit.
Die Selbstverpflichtungserklärung liefert den großen Rahmen für alle – der Verhaltenskodex konkrete Handlungsanweisungen passend zu seiner jeweiligen Zielgruppe.
Jede Gruppe und jede Freizeit benötigt ihren eigenen für sie erstellten Verhaltenskodex. Diesen könnt ihr gemeinsam mit den Mitarbeitenden und Teilnehmenden der Angebote schreiben. Es geht darum, ganz konkrete Regeln für diese Gruppe/Freizeit und diese Zielgruppe festzulegen. Auch Kinder können dabei schon sehr gut mitreden und sagen, welche Regeln sie für ihre Angebote wichtig finden.
Solche konkreten Handlungsvorgaben könnten z. B. lauten: Bevor ich während der Freizeit ein Zimmer betrete, klopfe ich an und warte, bis ich hereingebeten werde. Ich gehe nicht allein in fremde Zimmer …
Zur Erarbeitung eines Schutzkonzept gehört es auch, sich Gedanken darüber zu machen, wie ihr eure eigenen Mitarbeitenden schulen möchtet.
Wer mit Kindern und Jugendlichen arbeitet, sollte über ein gewisses Wissen und eine Qualifikation auch im Bereich der (sexualisierten) Gewaltprävention verfügen. Denn Wissen und die regelmäßige Beschäftigung mit diesem Thema schafft Sensibilität und Sicherheit im Umgang damit, um bei einem Verdachtsfall angemessen handeln zu können.
Wann sprecht ihr dieses Thema mit neuen Mitarbeitenden an? Könnt ihr eigene passende Fortbildungen organisieren, in dem ihr z. B. externe Experten als Referentinnen bzw. Referenten einladet? Oder veranstaltet euer Kirchenkreis regelmäßig thematische Fortbildungen, zu denen ihr eure Mitarbeitenden schicken könnt?
Zentraler Teil eines Schutzkonzeptes ist auch das sogenannte Beschwerdemanagement – und eine wichtige präventive Maßnahme. Dabei geht es darum, als Verein oder Gemeinde eine gute Struktur zu entwickeln, die es allen Menschen ermöglicht, sicher und niederschwellig auch Bedenken, Kritik oder Unbehagen zu äußern.
Wenn die Menschen wissen, wen sie auch bei diesen Anliegen ansprechen können und dass sie ernst genommen und ihre Anliegen gemeinsam bearbeitet werden, entsteht viel Vertrauen – im Idealfall so viel, dass auch wirklich schwerwiegende Konflikte und Situationen angesprochen werden.
Für ein gelingendes Beschwerdemanagement ist wichtig, dass die Wege der Kommunikation klar und leicht sind. Die Anlaufstellen und -personen müssen bekannt und auf unterschiedlichen Wegen zu erreichen sein (z. B. per Telefon, Mail und zu einer Sprechzeit im Büro). Außerdem versteht sich von selbst, dass alle Beschwerden vertraulich behandelt werden. Darüber hinaus sollten alle Beschwerden und die darauf folgenden Schritte der Bearbeitung dokumentiert werden. Wer eine Beschwerde geäußert hat, sollte außerdem auch transparente Rückmeldung bekommen, wie mit der Beschwerde verfahren wird.
Akute Vorfällen von (sexualisierter) Gewalt können leider überall vorkommen – ein gutes Schutz- und Präventionskonzept trägt dazu bei, solche Situationen zu vermeiden bzw. frühzeitig zu erkennen.
Kommt es trotzdem zu einem Vorfall oder Verdachtsfall, benötigt jede Gemeinde, jeder Verein einen Kriseninterventionsplan, also ein Handlungskonzept, das vorschreibt, wie nun agiert wird. Wer muss wann informiert werden? Welche externen Stellen werden einbezogen? Wie wird solch ein Verdachtsfall bearbeitet?
Es geht um ein koordiniertes Vorgehen, um schnelle Hilfe und Unterstützung für die betroffene Person (emotional wie auch rechtlich), um die Einbeziehung von Spezialistinnen bzw. Spezialisten und um Nach- und Aufarbeitung des Vorfalls. Besonders an diesem Punkt müsst ihr euch nicht alle Gedanken allein machen, denn viele Kirchenkreise haben bereits eigene Handlungspläne für Krisensituationen aufgestellt. Daraus ergibt sich oftmals auch für eure Gemeinde oder euren Verein viel, da dort bereits festgelegt ist, wann z. B. Fälle gemeldet und Vertreterinnen bzw. Vertreter des Kirchenkreises mit einbezogen werden müssen.
Kam es zu einem Vorfall, ist die Aufarbeitung und Reflexion wichtig, um zu lernen, um eigene Strukturen weiter zu verbessern und somit den Menschen einen noch sichereren Ort zu bieten.
Hierbei stellt sich die Frage, welche Ursachen und welchen Ablauf der Vorfall hatte. Wie, wann und wo hat er sich ereignet? Welche Maßnahmen können dabei helfen, solche Situationen in Zukunft zu vermeiden?
Weitere wichtige Infos, gute (Begriffs-)Erklärungen zum Thema und Hinweise, worauf du achten und was du bei der Erarbeitung eines Schutzkonzepts bedenken solltest, findest du u.a. hier:
Wer sich mit den Ergebnissen der ForuM-Studie beschäftigt, wer vielleicht schon eine Grundschulung zur Prävention vor sexualisierter Gewalt besucht hat oder sich aus anderen Gründen darüber informiert, wird feststellen: Wir reden in diesem Kontext möglichst nicht von „Opfern“ – sondern es handelt sich um „Betroffene“. Wir schreiben auch nicht von „sexuellem Missbrauch“ – sondern bezeichnen die Taten als „sexuelle Gewalt“. Warum ist das so? Der Hintergrund ist ganz einfach: weil unsere Sprache Wirklichkeit schafft. Der englische Autor Samuel Johnson hatte es im 18. Jahrhundert so ausgedrückt: „Die Sprache ist die Kleidung der Gedanken“.
Wenn wir im Zusammenhang von sexualisierter Gewalt gegen ein Kind von „sexuellem MISSbrauch“ sprechen würden, biedert sich der Gedanke an, es könne auch eine positive Form eines „sexuellen GEbrauchs“ geben. Dieser Gedanke kann dann daher rühren, dass es in anderen Bereichen sehr wohl eine negative, MISSbräuchliche Handlung als auch eine positive Gebrauchsform gibt. Wir sprechen ja z. B. von der MISSbräuchlichen Nutzung im Sinne einer Alkohol-, Drogen oder Spielsucht, und kennen zugleich die „positiven“ Formen dieser Dinge: z. B. den Alkoholkonsum im Sinne von „Genuss“, der Einnahme von Schmerzmitteln im Rahmen einer ärztlichen Therapie oder die Nutzung von Spielekonsolen in einem gesundheitlich stabilen Bereich. Bei sexualisierter Gewalt ist dies aber absolut nicht der Fall, da spricht die Gesetzeslage in Deutschland zum Glück eine deutliche Sprache.
Ähnlich verhält es sich mit dem Bergriff „Opfer“: Häufig wird dieses Wort mit negativen Konnotationen wie Passivität, Fremdbestimmung, Abhängigkeit, Ohnmacht und Hilflosigkeit verbunden und darum von vielen Betroffenen abgelehnt. Sie empfinden den Begriff eher als stigmatisierend, denn sie fühlen sich ja nicht (nur) schwach, hilflos oder ohnmächtig. Das Gegenteil ist der Fall, denn mit den Erfahrungen von sexualisierter Gewalt umzugehen und diese beispielsweise öffentlich zu machen, zeugt von Stärke und Selbstwirksamkeit. Manche Betroffene sprechen von sich in diesem Zusammenhang auch von „Überlebenden“.
Welche Macht Sprache im Übrigen hat, erlebst du im Alltag immer wieder. Das beginnt bei den so genannten „performativen Äußerungen“, die deine erlebte Wirklichkeit durch Worte verändern. Ganz klassisch ist da das „Ja“-Wort beim Standesamt, dass aus zwei Menschen ein EHE-Paar mit einem ganz eigenen rechtlichen Rahmen macht. Ein anderes Beispiel ist die zugesprochene Sündenvergebung bei der Beichte.) Es betrifft aber vor allem die soziale Wirklichkeit der Gesellschaft. Der Schwerpunkt auf der „sozialen Wirklichkeit“ liegt darin begründet, dass ich z. B. nicht einfach über mehr finanzielle Mittel verfüge, einfach weil ich immer wieder davon erzähle, dass ich reich bin.
Die soziale Wirklichkeit wird durch unsere Sprache aber sehr wohl verändert – und darum sollten wir mit unseren Worten auch weise umgehen. So erleben wir zur Zeit auf der einen Seite eine Gender-Debatte, um die geschlechtliche Vielfalt unserer Gesellschaft auch sprachlich auszudrücken und nicht im „generischen Maskulinum“ verschwinden zu lassen (was besonders dann peinlich wird, wenn wir z. B. von pauschal „Grundschullehrern“ sprechen, dabei natürlich auch alle Grundschullehrerinnen einbeziehen und die Lehrkräfte an Grundschulen dabei tatsächlich zu fast 90% weiblich sind und man alleine von dem Verhältnis her eher das „generische Femininum“ hätte nutzen sollen).
Wir erleben dabei viel Ablehnung à la „das ist doch nicht nötig“ und „das haben wir doch immer schon gemacht“ und verkennen dabei die Realität, dass es in unserem Verständnis aus diesen Gründen immer noch eher „Männerberufe“ bzw. „Frauenberufe“ in ihrer Bezeichnung gibt (z. B. Pilot, Maurer, Feuerwehrmann, Krankenschwester, Haushälterin), bei denen wir eher das eine oder andere Geschlecht erwarten – und gleichzeitig keine Bezeichnung für eine männliche Hebamme haben.
Auf der anderen Seite verschiebt sich Stück für Stück die Grenze des Sagbaren im politischen Diskurs in unserem Land, basierend auf vorgeschobenen „das wird man ja wohl noch sagen dürfen“– oder „nichts darf man mehr sagen“-Argumentationen aus der rechtsnationalen Ecke, die sich aus fehlgeleitetem Wahlkampf-Kalkül auch zunehmend in manchen demokratischen Parteien wiederfinden. Hier sollten wir wachsam bleiben, uns davor hüten, die „Messer-Männer“, „kleinen Paschas“ und „Kopftuch-Mädchen“ als neue Bedrohung in unserem Land anzusehen, sondern es klar benennen und aufzeigen, wenn Menschen versuchen, durch menschenverachtende Sprache, der Reproduktion rassistischer Begriffe und Verdrehung gesellschaftlicher Tatsachen eine Wirklichkeit zu schaffen, in der ein friedliches Miteinander nicht mehr möglich ist.
Was genau sind eigentlich Schutz- und Präventionskonzepte und warum sind sie für die Gemeinde- und Vereinsarbeit so wichtig?
Die neue KON-Einheit »Schutz-Los!« klärt in Themenartikeln kurz und leicht verständlich darüber auf. Sie liefert in praktischen Stundenentwürfen Hilfestellung und wertvolle Tipps, Schutzkonzepte, Verhaltenskodex, Selbstverpflichtungserklärung etc. gemeinsam im Team und mit einer Gruppe für die eigenen Arbeitsbereiche zu erstellen.
Darüberhinaus gibt es Bibelarbeiten zum Thema »Schutz« – wie Jesus selbst sich bei der Gefangennahme gefühlt hat und welche Schutzausrüstung Gott den Menschen gibt, damit sie sich nicht schutzlos fühlen müssen, sondern sich von IHM ausgerüstet und bei IHM geborgen wissen.
Es ist erst die zweite Stadt, die er auf europäischem Boden besucht und wieder gibt es Ärger. Nachdem der Apostel Paulus auf seiner zweiten Missionsreise schon in Philippi im Gefängnis gelandet war, erwartet ihn im Jahr 50 n. Chr. in der griechischen Hafenstadt Thessalonich die nächste Überraschung.
Auch hier löst das, was Paulus von Jesus erzählt, heftige Reaktionen aus (Apg. 17). Ja, doch… manche beginnen an Jesus zu glauben. Andere aber rotten sich zusammen und wollen Paulus und seinen Mitarbeitern an den Kragen. Die gerade zum Glauben gekommenen Christen von Thessalonich drängen Paulus daraufhin besorgt zur Flucht. Er entkommt in einer Nacht- und Nebelaktion.
Aber wohin Paulus auch weiterzieht, die junge Gemeinde von Thessalonich geht ihm nicht aus dem Kopf. Er will wissen, wie es den Menschen dort geht. Seine Mitarbeiter reisen hin und her. Sie halten ihn auf dem Laufenden. Und so erfährt Paulus, dass die Christen in Thessalonich nach seiner Flucht eine schwere Zeit durchleben. Sie werden von ihren Gegnern in die Enge getrieben. Eine Verfolgungswelle folgt der anderen.
Der frische Glaube der Christen in Thessalonich wird auf eine harte Probe gestellt. Und das nicht nur von außen. Auch intern kommen Fragen auf, die immer drängender werden. Jetzt rächt sich, dass Paulus nicht genug Zeit gehabt hatte, ihnen die Grundlagen einer Christus-Nachfolge ausführlich zu erklären. Die Jesus-Leute in Thessalonich haben Fragen über Fragen. Wie lebt man als Christ? Was ist hilfreich, was nicht? Was ist vom Heiligen Geist – und was führt in eine Sackgasse?
Die Antwort von Paulus ist kurz und prägnant: Prüft alles und be- haltet das Gute.
Das wirkt… schlüssig. Aber wie geht das: „Alles prüfen?“ Wie macht man das bei all den Stimmen, die tagtäglich auf einen eindringen? Was davon ist „das Gute“, was nicht? Und wie soll man das Gute behalten – festhalten?
„Gut…“ sagt Jesus einmal zu einem jungen Mann, „Gut ist niemand, außer dem einen: Gott.“ (Mk 10,18) Wollen wir also herausbekommen, was „gut“ ist mit Blick auf den Glauben, auf unser Leben, und auf das was der Gemeinschaft von Christen dient, dann ist das alles entscheidende Prüfkriterium: Ob es von Gott kommt. Ob etwas in seinem Sinn ist. Ob es ihm entspricht. Seiner Art zu denken, seinem Wollen, seinem Handeln. Und genau das bekommen wir am ehesten heraus, wenn wir uns ansehen, wie Jesus war, wie er gelebt hat und was er gesagt hat. Denn Jesus war kein anderer als der menschgewordene Gott selbst. Es gibt keinen Menschen, keinen Ort auf dieser Welt, kein philosophisches System oder sonst etwas, an dem wir deutlicher ablesen könnten, wie Gott ist, als allein bei Jesus.
So schreibt Paulus also sinngemäß den Thessalonichern: „Prüft alles, was ich oder andere euch sagen darauf, ob es „jesus-gemäß“ ist. Denn daran entscheidet sich, ob es gut oder nicht gut ist. Ob es sich lohnt, daran fest zu halten oder nicht. Und wenn ihr miteinander – die ihr ja von Gott zu einer Gemeinschaft zusammengefügt und erfreulich unterschiedlich begabt worden seid – zu der Überzeugung kommt: Dies oder jenes ist gut, weil es der Art und Weise und der Liebe unseres Gottes entspricht, dann… haltet fröhlich daran fest!
Fragt sich nur… können wir das überhaupt: festhalten? Am Guten festhalten? Schaffen wir das? Haben wir die Kraft dazu? Überfordert uns das nicht in einem so komplizierten Leben, wie dem unseren?
Eindrücklich steht mir eine Filmszene vor Augen, in der ein Mensch an einem Berghang ins Rutschen gekommen war. Er begann zu stürzen und konnte sich im letzten Augenblick noch an einem Felsvorsprung festhalten. Da hing er nun mit seinem ganzen Gewicht an seinen beiden Händen, die sich krampfhaft in den Felsen krallten. Unter ihm der Abgrund. Und jedem war klar: Das hält er nicht lange durch. Selbst als ihm jemand eine Hand entgegenhielt… er hatte nicht mehr die Kraft, die rettende Hand zu fassen. Die Situation schien hoffnungslos. Aber da packte ihn sein Retter am Handgelenk und zog ihn nach oben.
Unser Herr sieht, wenn uns die Kraft nicht reicht, ihm zu vertrauen oder an dem festzuhalten, was gut ist. Doch gerade dann, wenn‘s eng wird, hält er mir nicht nur die Hand hin. Dann hält er mich – mit seiner Kraft – und die reicht, um mich auf sicheren Grund zu ziehen.
Es hat gereicht. Für Paulus und für die jungen Christen in Thessalonich. Und es reicht für uns – für dich und für mich. Darum: Lass uns miteinander alles prüfen und am Guten festhalten. Und sollte uns dabei die eigene Kraft verlassen… keine Sorge. Er hält uns – bei sich. Denn „Gott, der euch beruft, ist treu: Er wird das alles tun.“ (Vers 24)
Der Bibelvers „Prüft alles und behaltet das Gute“ öffnet eine Tür zur Freiheit! Denn Gott mutet und traut es uns zu, zu beurteilen, was gut ist für andere und für uns. Welch eine Perspektive für unser Leben: Es kommt darauf an, selber zu denken, zu glauben, zu entscheiden und nicht nur nachzumachen, was andere tun.
Die Andachtssammlung zur Jahreslosung 2025 möchte genau dazu ermutigen: Zu entdecken, was anderen, unserer Welt und uns selbst zum Guten dient! Die Bibelworte, Lieder und Filme, die den Andachten zugrunde liegen, erzählen davon, wie Gott unser Leben mit Sinn und Hoffnung erfüllt. Lass dich herausfordern den guten Gedanken Gottes für dein Leben nachzuspüren und hineinzutreten in einen Raum der Freiheit.
Macht spielt in unserer Welt eine große Rolle, allzu oft wird sie missbraucht und es bleibt ein Gefühl von Machtlosigkeit gegenüber dem Stärkeren.
Im KON-Thema „Von guten Mächten“ geht es um gute Mächte, die unterstützen, motivieren und Geborgenheit geben. Stundenentwürfe, Bibelarbeiten und ein Themenartikel für MitarbeiterInnen geben kreative und hilfreiche Impulse für die Gruppe – auch thematisch passend zu Weihnachten (Gottes Macht – ein kleines Kind?), zum Jahresende und zum Beginn des neuen Jahres mit einer Bibelarbeit zur Jahreslosung 2025: „Prüft alles und das Gute behaltet.“
Als die neutestamentlichen Schriften im 2. Jahrhundert gesammelt wurden, gab man diesem Brief den Titel „pros Hebräious“; also „an die Hebräer“. Gemeint sind Menschen jüdischer Herkunft, die da, wo sie wohnen, Fremde sind. Der Titel wurde aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. Der Verfasser beschäftigt sich in seinem Schreiben so intensiv mit dem AT und der Auslegung von Texten aus dem AT, dass wir davon ausgehen können, dass die ersten Leser messiasgläubige Juden, Judenchristen gewesen sind. Etliche Hinweise im Brief deuten darauf hin, dass die Empfänger in Italien, höchstwahrscheinlich in Rom zuhause gewesen sind. In Hebräer 13,24 steht: „Viele Grüße sende ich an eure Gemeinden und an alle ihre Leiter. Die Christen aus Italien lassen euch grüßen.“ Wenn die Leser von Christen aus Italien gegrüßt werden, dann legt das den Schluss nahe, dass sie, die ersten Empfänger, in Italien beheimatet sind. Daneben erfahren wir, dass der Brief an mehrere Hausgemeinden adressiert war.
Über den Verfasser können wir sagen: „Wer diesen Brief verfasst hat, das weiß in Wahrheit nur Gott.“ Dieses Zitat stammt von Origenes (christlicher Philosoph und Verteidiger des Glaubens). Wir wissen, dass der Verfasser ein sehr gepflegtes Griechisch geschrieben hat. Er muss sehr gebildet und Jude mit griechischer Prägung gewesen sein. Er zitiert das AT in der Art, wie es die Juden in Alexandria in Ägypten getan haben.
Aber ist der Hebräerbrief überhaupt ein „Brief“? Denn es ist sehr merkwürdig, dass der klassische Briefanfang ganz und gar fehlt. Auch im Verlauf fehlen typische Elemente eines Briefes. In Hebräer 13,22 nennt der Verfasser die Schrift selbst ein „Wort der Ermahnung“, also eine Mahnrede, eine Predigt. Aufgrund des Abschlusses ist das Schreiben dennoch ein Brief.
Es gibt etliche frühchristliche, relativ exakt datierbare Schriften, die Inhalte aus dem Hebräerbrief zitieren. Und es gibt im Brief selbst Hinweise auf das Ergehen der Empfänger-Gemeinden. Dies und andere Andeutungen lassen den Rückschluss zu, dass der Brief wahrscheinlich Mitte der 60er Jahre geschrieben wurde. Diese Datierung ist deswegen bedeutsam, weil wir recht gut wissen, wie es den Judenchristen zu der Zeit in Rom erging. Sie waren aufgrund ihres Glaubens zunächst „nur“ Bedrängnissen und Repressalien ausgesetzt. Sie mussten aber immer damit rechnen, dass eine ernste Verfolgung über sie hereinbricht. Das hatte mit folgendem zu tun: Die Juden hatten im Römischen Reich in Sachen Religionsausübung eine Sonderstellung. Ihnen wurde Religionsfreiheit gestattet. Solange die Christen als eine jüdische Gruppe, als jüdische Sekte gegolten haben, war alles kein Problem. Da sich aber die Juden immer deutlicher von den Christen distanzierten, wurde die Lage für die Christen von beiden Seiten sehr prekär: die Juden haben sie verachtet und verfolgt; und der römische Staat hat sie als Unruhestifter im Blick auf den römischen Frieden betrachtet. Die Schwierigkeiten für die Christen wurden immer größer, die Gefahren immer konkreter, die Situation immer prekärer. Da war es naheliegend, sich wieder dem jüdischen Glauben zuzuwenden und von Christus abzufallen. Diese Gefahr sieht der Verfasser des Schreibens, vor ihr warnt er. Denn er beobachtet, dass die Judenchristen in Rom müde, mutlos, träge, unsicher und nachlässig geworden sind. Einige sind drauf und dran, Jesus zu verleugnen und den Glauben an den Nagel zu hängen. Zu dieser krisenhaften Lage kommt noch die Enttäuschung hinzu, dass die verheißene Herrlichkeitsoffenbarung überhaupt nicht sichtbar in Erscheinung tritt. Stattdessen erleben sie immer mehr Drangsale. Die Christen resignieren. Sie erschlaffen im Bemühen um ein Leben aus dem Glauben. Sie passen sich dem welthaften Leben an. Sie sind zu Bürgern der künftigen Herrlichkeit berufen, richten sich aber in dieser Welt wieder ein. Ihnen droht das gleiche Schicksal wie der Wüstengeneration Israels nach dem Auszug aus Ägypten.
Das geschieht immer im Vergleich zu alttestamentlichen Personen oder Wesen oder Gaben. Das betrifft das Reden Gottes im alten Bund durch die Propheten. Aber das Reden Gottes durch Jesus ist weit besser und dem bisherigen deutlich überlegen, weil Jesus überlegen ist. Weiter geht es damit, dass Jesus größer ist als die Engel, als Mose und als Josua. Die verheißene Ruhe ist in Jesus vollkommen und gesichert. Vor allem aber ist Jesus der eine wahre Hohepriester, der uns nicht im irdischen Heiligtum immer wieder von neuem vertritt, sondern der uns im himmlischen Heiligtum ein für alle Mal die ewig gültige Erlösung erwirkt hat. Darum ist der neue Bund deutlich besser als der erste Bund.
Das Schlüsselwort im Hebräerbrief lautet: BESSER. Ich benenne die Stichworte und die entsprechenden Bibelstellen. Offenbarung: Hebr 1,1-4; Hoffnung: Hebr 7,19; Priestertum: Hebr 7,20-28; Bund: Hebr 7,22; 8,6; Amt: Hebr 8,6; Verheißung: Hebr 8,6; Ordnung: Hebr 9,10; Opfer: Hebr 9,23; Habe (Besitz): Hebr 10,34; Land: Hebr 11,16; Auferstehung: Hebr 11,35; Vorhaben (Plan): Hebr 11,40; Wirkung des Blutes, das Jesus vergossen hat: Hebr 12,24
Das Opfer Jesu für unsere Sünden ist perfekt, vollkommen, für alle Ewigkeit gültig. „Es ist vollbracht!“ Die Botschaft ist die: wenn ihr nicht bei Jesus bleibt, dann tauscht ihr das mit Abstand Beste ein gegen das Vorläufige.
Wer diesen Jesus und sein Opfer einmal angenommen hat und es dann wieder ganz bewusst und willentlich und voller Überzeugung von sich stößt und mit Füßen tritt, der hat es sich bei Gott für alle Zeiten verscherzt. Hierzu sollten die zwei Mahnungen in Hebr 5,11-6,20 und 10,26-31 ernstgenommen werden.
Es zieht sich wie ein roter Faden durch das Schreiben, dass der Glaube uns eine unüberbietbare Zukunft verspricht. Und diese Hoffnung stärkt das Durchhaltevermögen, in Bedrängnissen und Verfolgungen die Flinte nicht ins Korn zu werfen, sondern sich auf die „zukünftige Stadt“ (13,14) zu freuen. Denn so hat Jesus auch das Leiden und Sterben auf sich genommen und ausgehalten, weil er wusste, dass nach der Schande des Todes eine unendlich große Freude auf ihn wartete. „Wir wollen nicht nach links oder rechts schauen, sondern allein auf Jesus. Er hat uns den Glauben geschenkt und wird ihn bewahren, bis wir am Ziel sind. Weil große Freude auf ihn wartete, erduldete Jesus den Tod am Kreuz und trug die Schande, die damit verbunden war. Jetzt hat er als Sieger den Ehrenplatz an der rechten Seite Gottes eingenommen“ (Hebr 12,2 nach Hfa).
Markant ist, dass der Glaubensbegriff im Hebräerbrief weniger davon spricht, dass wir durch den Glauben Vergebung der Sünden Rechtfertigung vor Gott erlangen. Sondern der Glaube hat vor allem das im Blick, was uns noch erwartet. So sind die beiden großen Kapitel 11 und 12, in denen es um den Glaubensweg im alten Bund und um den Glaubensweg der Christen geht, von dem geprägt, dass die Frommen zukunftsorientiert geglaubt haben. Sie haben im Blick auf die zukünftigen Dinge geglaubt. Und auch die Christen halten an Jesus fest, „weil wir ein unerschütterliches Reich empfangen“ (12,28). Darum ist auch die Glaubensdefinition in Hebr 11,1 sehr sorgfältig zu übersetzen und zu deuten. Die Luther-Übersetzung hat einen fordernden Klang: „Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.“ Zu oft resultiert aus diesen Worten die Aufforderung, dass Christen einen starken, festen Glauben haben müssen, zuversichtlich sein sollen und nicht zweifeln dürfen. Aber ein genauer Blick in andere Übersetzungen, die den griechischen Ursprungstext besser wiedergeben, ist nötig. Die Elberfelder übersetzt: „Der Glaube aber ist eine Wirklichkeit [Grundlage] dessen, was man hofft, ein Überzeugtsein [Überführtsein] von Dingen, die man nicht sieht.“ Aufschlussreich ist die „Gute Nachricht“: „Glauben heißt Vertrauen, und im Vertrauen bezeugt sich die Wirklichkeit dessen, worauf wir hoffen. Das, was wir jetzt noch nicht sehen: im Vertrauen beweist es sich selbst.“
Es lohnt sich, dieses Schreiben in großen Zügen zu lesen. Die Überlegenheit Jesu, die vollkommene Erlösung, die er schenkt, das ein für alle Mal gültige Opfer und die Hoffnungsperspektive, die durch Schwierigkeiten hindurchträgt, sind für uns heute wichtig und aktuell. Und: „Das ist die Hauptsache bei dem, wovon wir reden: Wir haben einen solchen Hohenpriester, der da sitzt zur Rechten des Thrones der Majestät im Himmel“ (8,1).
Was bedeutet es für meinen Glauben, dass Jesus in die Windeln gemacht hat? Tatsächlich kommen sie in meinem persönlichen, „klassischen“ Lieblings-Weihnachtslied (wen es interessiert: „Ich steh an deiner Krippen hier“ von Paul Gerhard) gar nicht vor – aber in vielen anderen Weihnachtsliedern schon: die Windeln, die wir schon aus der Weihnachtsgeschichte nach Lukas kennen.
„Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.“ (Lukas 2, 10-12, Luther 2017)
Manchmal werden diese Windeln in den Weihnachtsliedern in einer solchen Art und Weise erwähnt, dass ich als Mutter aus eigener Erfahrung sagen möchte: „Nein – SO kann das aber nicht gewesen sein!“
Oder wer möchte ernsthaft daran glauben, dass Jesus (so wie in dem Lied „Ihr Kinderlein, kommet“) in reinlichen Windeln gelegen haben soll – all dem Dreck und Staub zum Trotz, der einem Stall so anhaftet? Ganz abgesehen davon, dass es eine zutiefst menschliche Eigenart kleiner Babys ist, in genau diese Windel zu machen … „Reinlich“ kann also mehr als Ausdruck von Pathos und Verzückung gesehen werden, denn als pure Realitätsbeschreibung. Aber ganz ehrlich: Darauf kommt es doch auch gar nicht an, oder?
Ich vermute, solchen Liederdichtern wie Christoph von Schmid ging es damals (immerhin ist das Lied schon über 120 Jahre alt) zu sehr in die menschliche Intimsphäre, im Sinne von „Über so etwas spricht man doch nicht! Und der Heiland, der hat bestimmt immer nur nach Rosenduft gerochen!“ Geschenkt.
Als Mutter muss ich sagen: Babys riechen nicht immer nur nach Rosen. Vielleicht mal nach Möhren, aber das würde hier zu weit führen. Als Mutter spreche ich aus Erfahrung, wenn ich sage: Windeln wechseln führt nur selten zu Glücksgefühlen – meist ist es eine wechselnde Mischung aus Pflicht, Sorgfalt und Liebe. Und ganz manchmal auch leichtem Ekel. Aber auch das führt noch nicht ganz zum Thema.
Warum also bedeutet es etwas für meinen Glauben, dass Jesus in die Windeln gemacht hat?
Warum denke ich über die zutiefst menschlichen biologischen Vorgänge in der Verdauung eines Babys nach, statt einfach nur begeistert zu sein von diesem Wunder in der Krippe?
Weil die heimelige Weihnachtsgeschichte, so wie wir sie uns oft vorstellen und wir es uns für unser eigenes Weihnachtfest alljährlich wünschen, einfach nur die halbe Wahrheit ist. Bestenfalls. Und für halbe Sachen kann ich mich nicht begeistern, da ist nun mal nichts Wahres dran. Wer daran zweifelt, kann sich ja mal bildlich vorstellen, wie ein halbes Hähnchen über den Hof wackelt und Würmer sucht … das klappt nämlich auch nicht. Wenn ich dich jetzt von einer Weihnachts-Idealvorstellung befreit habe, die du eh nicht erfüllen kannst, erleben wirst und deswegen jedes Jahr Stress schiebst: gern geschehen!
Zurück zum Thema und meiner Frage: Warum halte ich es für wichtig, dass dieses Baby, das Jesus-Kind, der Heiland, eben nicht in „reinlichen Windeln“ lag – und warum hat dies Auswirkungen auf meinen Glauben?
Ich könnte mich da auf die kluge Meinung anderer berufen. Ich könnte z. B. auf den Gedanken von Saskia Wendel hinweisen, der da heißt, dass die Windel ein „Bruch mit dem Bild eines souveränen Gottes, der alles im Griff hat“ (1) ist. Aus diesem Grund wird die Windel hier klein gemacht, verschwiegen oder idealisiert: weil sie eben nicht das Bild des allmächtigen und starken Gottes verkörpert. Grundsätzlich übrigens etwas, das herausfordert und dem ich nur beipflichten kann.
Oder ich könnte davon erzählen, dass es bereits bei den alten Pharaonen die Redewendung vom „Herrschen auf den Windeln“ gab – darauf verweist u. a. Stefan Buß in einem Artikel (2). Damit sind dann Herrscher gemeint, die quasi schon „seit immer“ an der Macht waren und sich als „zum Herrschen geboren“ darstellten.
Tatsächlich trifft das ja auch auf Jesus zu. Nur halt ganz anders, viel exakter, als es die alten Sprichwörter je hätten vorausahnen können.
Natürlich könnte ich auch Stefan Schreiber zitieren, der die Rolle des Kindes in der Krippe als die eines Messias als Anti-Herrscher oder radikalen Friedenskönig beleuchtet (3). Denn dieses Kind, das so unscheinbar in seinen Windeln liegt, wird mit seinem Leben und Sterben die Macht- und Gesellschaftsverhältnisse des römischen Reiches auf den Kopf stellen. Es wird eine „neue soziale Werteordnung“ verkörpern und den Frieden auch mit den Heiden suchen – die in den „Weisen aus dem Morgenland“ ja auch zu den ersten Gratulanten an der Krippe gehörten.
Aber ich bleibe bei mir und bei dem, was mir durch den Kopf geht und mein Herz bewegt, weil mir die Weihnachtsgeschichte auf diese Weise deutlich macht: Gott meint es ernst! Gott gibt seine Macht auf, wird uns Menschen nicht nur ähnlich – sondern er WIRD Mensch! Er macht sich selbst davon abhängig, was wir als Menschen so sehr brauchen. Und zwar nicht nur als Babys (da ist es ÜBERlebenswichtig), sondern auch darüber hinaus: LIEBE.
Wir Menschen bedürfen der Liebe anderer Menschen, um zu leben. Um uns zu entwickeln. Um zu wachsen. Um persönliches Scheitern zu überstehen. Um die eigenen Grenzen zu erweitern. Um Fehler einzugestehen. Um selbst zu lieben.
Gott geht diesen Weg. Vom Anfang an. Und zwar ohne den Heiligenschein, den ihm die Künstler später verpasst haben.
Gott gibt sich hin. Er gibt sich der Ohnmacht hin, dem „Auf-andere-angewiesen-Sein“, vielleicht auch den 3-Monats-Koliken, unter denen heute ja viele Babys leiden. An dieser Stelle verliert sich die Bibel eben nicht in Details. Aber Gott geht einfach „all in“ – er riskiert sich, um dich zu gewinnen, um mich zu gewinnen.
Auch wenn Jesus als Sohn Gottes, als König und als Heiland auf die Welt kommt: Darum geht es ihm gar nicht. Diese Macht als solches ist ihm nicht das Wichtigste. Wenn Jesus diese Macht einsetzt, dann doch für andere: Darum erweckt er Lazarus und die Tochter des Jairus von den Toten, während er selbst elendig am Kreuz verreckt. Darum verwandelt er auf einer Hochzeit Wasser in Wein, während er am Kreuz den Essig gereicht bekommt. Denn das Wichtigste, das er erreichen möchte, ist dein Herz. Er möchte, dass du (neu) beginnst, ihm zu vertrauen, Gott zu vertrauen, seiner Liebe zu vertrauen.
Dieses Vertrauen brauchen wir, wenn wir auf die Welt schauen und ins Zweifeln kommen, wenn unser Herz bricht bei all dem Leid, das uns begegnet. Seit Menschengedenken verüben Menschen aneinander und an der Natur die schlimmsten Verbrechen. Seit Menschengedenken beherrschen Korruption und Gier die Entscheidungsträger und „einfache Menschen von der Straße“. Die Stimme der Vernunft, die Stimme der Nächstenliebe und der Vergebung scheint zu verstummen.
Wenn du dich fragst, wo Gott war in den Zeiten des Holocaust, als über 6 Millionen Menschen ermordet wurden aufgrund ihres Glaubens; wo er war, als die ersten Atombomben auf unschuldige Zivilisten geworfen wurden; warum er nicht einschritt, als Putins Soldaten in die Ukraine einmarschierten, wieso er nicht handelt, wenn Eltern ihren Kindern Gewalt antun, wenn Menschen wehrlose Tiere quälen …, wenn du dich also fragst, wieso Gott dieses Leid in der Welt nur zulassen kann – wenn du mich danach fragst, wieso Gott all das Leid nicht einfach verhindert …
…dann muss ich dir sagen: Ich weiß es nicht. Ich kann Gottes Gedanken nicht verstehen. Ich kann sein Tun und sein Lassen nicht deuten. Ich kann es einfach nicht.
Es gibt so viele Theorien von studierten Menschen, die in einer Bandbreite liegen von „Gott hat mit unserer Welt die bestmögliche geschaffen und das darin vorkommende Leid ist letzten Endes erklärbar und notwendig“ (der Ansatz des Philosophen Leibnitz) über den Gedanken des Philosophen Hegel, für den „Übel nur ein notwendiges Durchgangsstadium ist“ bis hin zu der These von Norbert Hoerster, die sich damit befasst, dass „Gott entweder allgütig oder allmächtig sei“. Beide Eigenschaften gleichzeitig anzunehmen, ist in seinen Augen ein nicht zu überwindender Widerspruch und nicht rational.
Mich sprechen diese Theorien alle nicht an. Auch wenn ich selbst manches Mal hadere und so gerne eine Antwort hätte, habe ich keine. Aber ich habe etwas anderes: Ich habe das Kind in der Krippe! In Windeln!
Und auch wenn zur Zeit seiner Geburt niemand damit gerechnet hätte, (von seinen begeisterten Eltern und den ersten Zeugen an der Krippe, die Kontakt zu Engeln oder Sicht auf wunderverheißende Stern-Konstellationen hatten, mal abgesehen): Dieses Baby hatte Macht.
In all der Machtlosigkeit seiner Windeln war das Ziel klar umrissen: den Lauf der Welt verändern, den Tod besiegen, die Menschen retten. Dafür hat Gott in Jesus selber gelitten. Hat Verachtung und Verrat erfahren, wurde bespuckt, ausgelacht und gefoltert. Hat alles Schlimme erfahren, wozu Menschen fähig sind. Aber auch das Gute: Er wurde wertgeschätzt, er wurde mit Öl gesalbt. Und er wurde geliebt.
Daran will ich mich halten, in all dem Hadern und Verzweifeln: an die Liebe. Die Liebe, die Gott uns Menschen gezeigt hat. Die Liebe, wie wir einander erweisen. Und an das Gesicht, das Gott der Liebe auf dieser Welt gegeben hat: das Baby in der Krippe, gewickelt in Windeln. Pampers-Power pur.
Gottesdienst-Entwurf
Zu was kannst du dich frei entscheiden? Warum engagieren sich Menschen freiwillig? Gerade auch im Freiwilligendienst? In diesem Gottesdienst unter dem Motto „Freiwillig hier“ kommen verschieden Menschen zu Wort, die sich für andere oder eine Sache freiwillig einsetzen. Man kommt der Motivation, die dahintersteckt, auf die Spur – und feiert, gemeinsam freiwillig da zu sein.
Gefeiert wurde dieser Jugendgottesdienst bei „DAS FESTIVAL“ zum Reformationsjubiläum 2017 in der Stiftskirche in Stuttgart. Einzelne Elemente wurden für diesen Entwurf angepasst und aktualisiert. Denkbar ist, eine Person einzuladen und zu interviewen, die einen Freiwilligendienst absolviert hat und darüber erzählt.
Dieser Gottesdienst-Entwurf kann Inhalte des Beitrags „Prüft alles – was mache ich nach dem Schulabschluss?“ aufnehmen oder kann im Vorbereitungsteam zur Orientierung dienen.
Einstieg: | Vor dem Gottesdienst kann ein Countdown eingeblendet werden. Es kann auch zur Aktivierung und Hinführung zum Thema eine Umfrage (z. B. über www.mentimeter.com oder www.slido.com/de) eingeblendet werden, in der danach gefragt wird, wie viel Stunden freiwilliges Engagement im Monat geleistet wird. Auf das Ergebnis kann dann später eingegangen werden. |
Musik: | siehe zum Beispiel https://bumlnk.de/JL25_gemeindesongs |
Votum: | Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. |
Begrüßung: | |
Moderation 1: | Herzlich willkommen zum Gottesdienst. Mein Name ist … Ich bin hier in … |
Moderation 2: | Mein Name ist … Wir haben den Gottesdienst gemeinsam mit einem Team vorbereitet. |
Moderation 1: | Der Gottesdienst wird besonders schön, wenn wir gemeinsam singen. Und wir sind ja auch viele, dann klingt es ja auch gut zusammen. Jede Stimme ist wichtig. Jede und jeder ist wichtig. |
Thematischer Einstieg: | |
Moderation 1: | Also nochmals: herzlich willkommen – schön, dass ihr da seid! |
Moderation 2: | Hoffentlich freiwillig! Oder wurde jemand gezwungen? |
Moderation 1: | Unser Gottesdienst hat ja den Titel „freiwillig hier“ sein. |
Moderation 2: | Jetzt mal konkret – Hand auf’s Herz: Wer ist denn heute freiwillig hier? Meldet euch mal mit Handzeichen. |
Moderation 1: | So viele. Aber: Ich hab die Frage nicht verstanden – was bedeutet „freiwillig“ eigentlich? Wie frei sind meine Entscheidungen? |
Moderation 2: | „Freiheit“ heißt für mich, die Möglichkeiten, die Gott mir schenkt, zu ergreifen, die Wege, die Gott mir aufzeigt, zu gehen – oder nicht zu gehen. Das ist Freiheit – das ist mein freier Wille. |
Moderation 1: | Also, was macht ihr denn wirklich freiwillig? Ich meine: Wo ergreift ihr eine Möglichkeit, die Gott euch schenkt? |
Moderation 2: | Mal ganz konkret, z. B. heute Morgen: Hast du gefrühstückt, weil du Hunger hattest oder weil du mit anderen – wie an fast jedem Morgen – zusammen am Tisch gesessen bist? |
Moderation 1: | Ich hätte heute Morgen nichts zu essen gebraucht. Aber ich saß in der Gemeinschaft mit meiner Familie. |
Moderation 2: | Und wie ist das bei dir gewesen? (Jugendliche / Jugendlichen direkt ansprechen) Hast du gefrühstückt, weil du Hunger hattest, oder wurdest du genötigt, am Familien-Frühstückstisch zu sitzen? |
Moderation 1: | Wer hat also heute Morgen wirklich freiwillig gefrühstückt? (Handzeichen geben lassen) |
Moderation 2: | Ok, da gibt es ja einige unter euch, die wirklich auf sich gehört haben und freiwillig gefrühstückt haben! |
Moderation 1: | Aber nochmal eine Frage. Jetzt noch konkreter: Wie ist das denn mit den Klamotten? |
Moderation 2: | Wie, Klamotten?! Was hat das denn mit „freiwillig“ zu tun? |
Moderation 1: | Naja, wenn ich frei wählen könnte, dann würde ich jetzt hier in meiner gemütlichen Homie-Jogginghose stehen. Aber wie sähe das denn aus hier vorn. Wir haben ja auch teilweise unbequeme Sonntagskleidung an, weil sich das so gehört. |
Moderation 2: | Also, ich gebe zu, dass wir da nicht frei waren bei der Frage, was wir anziehen. |
Moderation 1: | Habt ihr (Gemeinde ansprechen) auch Kleidung an, nicht, weil sie euch gefällt, sondern, weil das gerade angesagt ist und ihr damit ein Teil eurer Gruppe seid? Wer hat schon Lust, immer schräg angesehen zu werden? |
Moderation 2: | Wenn meine Klamottenwahl nicht frei ist, was mache ich dann überhaupt „frei-willig“? Ist nicht alles irgendwie beeinflusst oder sogar gelenkt? Oder sind wir nicht alle Marionetten, die Gott in der Hand hat? |
Moderation 1: | Das denke ich nicht. Gott gibt mir Möglichkeiten und eröffnet mir Wege. Und meine Freiheit ist es, zu wählen, welchen Weg ich nehme, welche Möglichkeit ich ergreife. |
Moderation 2: | Okay. Darum wird es in diesem Gottesdienst auch gehen, dass wir dem auf den Grund gehen. |
Moderation 1: | Aber jetzt singen wir erstmal – einen Klassiker: „Großer Gott, wir loben dich“. Und indem wir singen, danken wir Gott auch für die Möglichkeiten, die er uns schenkt, freiwillig hier zu sein. |
Lied: | „Großer Gott wir loben dich“ (Das Liederbuch, Nr. 15) |
Gebet: | Großer Gott, wir loben dich an diesem Tag, für die Sonne, für die Menschen, für unser Zusammensein – für unsere Zeit. Endlich habe ich die Freiheit, das zu tun, was ich wirklich will. Meistens zumindest. Manche Grenze hat mir die Woche gesetzt. Manche Grenze gibt es im Leben der anderen. Im Stillen erzählen wir dir von unserer Woche – von Höhen und Tiefen, von Freiwilligkeit und Zwang. (Stille) Gelobt seist du, Gott! Du hörst unser Gebet und verwirfst unsere Gedanken nicht. |
Dialogische Schriftlesung: | Was an dir findest du so gut, dass du es anderen gern erzählst? Ist dein ganzes Leben eine einzige Schoko-Seite? Und wie gehst du mit Fehlern um: Erzählst du sie freiwillig oder nur auf Nachfrage? Mit der Rahmenerzählung in einer Übertragung auf heute beginnen: Eine findet sich total super und ist stolz darauf, wie positiv sie von der Welt gesehen wird – eine andere ist sich ihrer Fehler bewusst und ist auf der Suche nach Vergebung. Einige der Leute waren davon überzeugt, dass sie selbst nach Gottes Willen lebten. Für die anderen hatten sie nur Verachtung übrig. Ihnen erzählte Jesus dieses Gleichnis (Lk 18,9-14 Hfa): „Zwei Männer gingen hinauf in den Tempel, um zu beten. Der eine war ein Pharisäer und der andere ein Zolleinnehmer. Der Pharisäer stellte sich hin und betete leise für sich: ‚Gott, ich danke dir, dass ich nicht so bin wie die anderen Menschen – kein Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder Zolleinnehmer wie dieser hier. Ich faste an zwei Tagen in der Woche und gebe sogar den zehnten Teil von allem, was ich kaufe.‘ Der Zolleinnehmer aber stand weit abseits. Er traute sich nicht einmal, zum Himmel aufzublicken. Er schlug sich auf die Brust und sprach: ‚Gott, vergib mir! Ich bin ein Mensch, der voller Schuld ist.‘ Das sage ich euch: Der Zolleinnehmer ging nach Hause und Gott hatte ihm seine Schuld vergeben – im Unterschied zu dem Pharisäer. Denn wer sich selbst groß macht, wird von Gott unbedeutend gemacht. Aber wer sich selbst unbedeutend macht, wird von Gott groß gemacht werden.“ Sich selbst zu kennen, ist eine Kunst. Ganz bewusst und freiwillig von sich selbst zu reden, fällt nicht allen leicht. Ich bin gespannt auf die Interviews nach dem nächsten Lied. |
Lied: | Wohin sonst (Das Liederbuch, Nr. 12) |
Interviews / O-Töne: | Hier kann eine Person interviewt werden, die einen Freiwilligendienst gemacht hat oder gerade macht. Sie kann nach ihren Erfahrungen, nach Schwierigkeiten, eindrücklichen Erlebnissen gefragt werden. Die Frage, warum es sich lohnt, sich freiwillig zu engagieren, kann ebenfalls interessant sein. Alternativ oder zusätzlich kann auf „frei.willig.weg“ verwiesen werden, ein YouTube-Channel des Formats „Funk“, in dem in einer Art Video-Blog zwei junge Erwachsene ein Jahr in ihrem Freiwilligendienst im Ausland begleitet werden. Eine dieser Freiwilligen, Philo, war in unserem Gottesdienst anwesend und wurde interviewt. Videos von Philo und Philipp sind noch zu finden unter www.rundfunk.evangelisch.de/kirche-im-internet/frei-willig-weg. Eventuell kann an Interviews oder Videos angeknüpft werden. Zum Beispiel sind auf dem Facebook-Auftritt von „ran ans Leben – Diakonie“ einige Kurzvideos zu finden, die junge Freiwillige in ihren Tätigkeiten (in der Jugendhilfe, Altenpflege … ) zeigen und in denen sie über ihren Alltag und ihre Motivation erzählen (www.facebook.com/ranansleben.diakonie). |
Wortspiel: | Im Gottesdienstraum werden die Menschen in drei Gruppen eingeteilt, z. B. rechte und linke Seite und die Empore. Mit jeder Seite wird das laute Rufen eines Wortes schnell eingeübt. Die einen rufen „frei“, die anderen dann „will“ und ich die dritten „ich“. Daraus wird zunächst das Wort „frei-will-ig“ gebildet und zwei Mal laut wiederholt. Dann werden die Wortteile neu zusammengesetzt (beliebig), nach einer kurzen szenischen Pause ruft die Moderation dann die Menschen auf zu: „ich“ „will“ „frei“ und ergänzt am Mikro „sein“. War das jetzt wirklich freiwillig? Oder eher, weil ich es gesagt habe – oder weil da jemand anderes mitgemacht hat? Was will ich? Weiß ich das immer? Und wenn ich diese Frage in der Kirche stelle, ist auch immer die große Frage: Glaube ich „freiwillig“? Folge ich Jesus freiwillig nach oder will ich eigentlich etwas anderes? Ganz viele Leute kamen zu Jesus, als er auf unserer Welt unterwegs war, und haben gesagt: „Ich finde das so beeindruckend, ich will dir folgen!“ Ich will – frei … will … ich dir folgen. Und Jesus sagte zu einem von ihnen: „Du weißt gar nicht, was du sagst, denn: Du kannst die Konsequenzen gar nicht abschätzen: „Die Füchse haben ihren Bau und die Vögel haben ihr Nest. Aber der Menschensohn hat keinen Ort, wo er sich ausruhen kann“ (Mt 8,20 BB). Kannst du die Konsequenzen abschätzen? Viele von euch, die heute hier sind, sind vermutlich Konfis, die von ihren Pfarrpersonen hierhergeführt wurden (Danke!). Ihr habt die Gelegenheit, in diesem Jahr zu erfahren, was es bedeuten kann „zu folgen“. Nicht so wie bei euren Eltern („Räumt jetzt das Zimmer auf!“), sondern: Jesus zu folgen, der ins Leben ruft. Ich möchte mit einer Geschichte aufhören, die ich vor wenigen Wochen erfahren habe: Ein Mensch wurde ausgezeichnet und konnte seinen Preis gar nicht entgegennehmen, da er im Gefängnis saß. Kurz die Geschichte nacherzählen vom Feuerwehrmann Manuel Blanco aus Spanien, der vor der griechischen Küste Leben rettet und der Schlepperei angeklagt wurde. Seine Antwort: „Was soll ich meinem Kind sagen, wenn es mich fragt: ‚Wo bist du gewesen?‘ “. (www.zeit.de/2017/02/griechenlandfluechtlinge- helfer-gericht-manuel-blanco) Ich glaube, wir alle haben bestimmte Begabungen bekommen. Und wir alle haben den Ruf, etwas Bestimmtes zu tun: mit sich und aus sich. Wie schön ist es, wenn wir dann dastehen und sagen: „Ich mach genau das richtige – freiwillig.“ Denn unser Leben ist ein Privileg. |
Lied: | Das Privileg zu sein (Feiert Jesus 4!, Nr. 156) |
Abschluss mit dem Vaterunser: | Einladung, in verschiedenen Sprachen zu beten (auch in Gebärdensprache). |
Informationen: | Opfer / Freiwilligendienste (Info-Material) / evtl. Programmhinweise |
Segen: | Zum Segen lade ich euch ein, die rechte Hand zum Himmel zu heben und sanft bei eurer Nachbarin oder eurem Nachbarn auf die Schulter zu legen. Bitte nehmt die linke Hand vor euch und bildet damit eine Schale. Die linke Hand, die so nah am Herzen ist, empfängt den Segen Gottes – lässt ihn durch deinen ganzen Körper fließen und gibt ihn mit der rechten Hand an deine Nachbarin / deinen Nachbarn weiter. |
Musik als Ausklang: | Beautiful Things (Das Liederbuch, Nr. 135) |
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